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Brief von Zoraida

Meine liebe Freundin
Ursula, herzliche Grüße und Küsse für dich und deine Töchter. Ich hoffe sehr, du bist gesund und hast viel Energie, um mit aller Kraft weiterzuarbeiten. Ich wünsche dir, dass dein Gesicht niemals betrübt sei, sondern immer vor Freude strahlen möge. Ich jedenfalls öffne dir mein Herz mit großer Freude und hoffe, dass wir immer solidarisch miteinander sein werden. In unserem gemeinsamen Kampf, dem Kampf der schutzlosen Frauen, gegen den machismo, die schlechte Behandlung, die totale Diskriminierung, die wir so viele Jahre von "starken" Männern hinnehmen mussten. Männern, die uns immer weiter ans Haus gefesselt sehen wollten, mit verschlossenem Mund und verbundenen Augen. Den Mund verschlossen gegenüber der Gewalt, deren Opfer wir allein deshalb waren, weil wir Frauen sind, immer voller Furcht vor dem, was die anderen aus der Gemeinschaft, in der wir leben, über uns reden könnten. Immer haben die Männer behauptet, wir könnten keine Verantwortung übernehmen. Aber wir haben ihnen gezeigt, dass wir sehr wohl im Besitz von Fähigkeiten und Verantwortung sind, dass wir in der Lage sind, unsere Arbeit zu machen. Und wir sind uns dessen bewusst geworden, dass wir viele Werte und Tugenden besitzen. Ich glaube, dass der Moment gekommen ist, in dem wir Frauen "Basta" sagen sollten, gemeinsam haben wir ja schon die Ketten zerbrochen, die uns wie Gefangene gefesselt hielten. Mit Hilfe des Vereins und von CEDRU haben wir Frauen jetzt Kenntnisse über so verschiedene Themenbereiche wie Menschenrechte, gender-Problematik, Persönlichkeitsentwicklung. Aber auch über Landwirtschaft, Tierhaltung, Erwachsenenbildung, Umwelt. CEDRU und der Verein haben solche Projekte gerade in die ärmsten ländlichen Gemeinden getragen, und wir führen es nun mit verschiedensten Institutionen fort und entwickeln es weiter.........

 

Noch einmal zu den Menschenrechten: Es ist eine große Errungenschaft für uns, dass es jetzt dieses Büro für Menschenrechte in San Rafael gibt. Denn jetzt wissen wir, wo wir unsere Anklage im Falle von Gewalt und Misshandlung vortragen können. Jetzt fühlen wir uns schon viel geschützter. Das Büro hat auch Frauen zu Promotorinnen der Menschenrechte auf Gemeindeebene ausgebildet. Ich bin sehr stolz, dass ich eine dieser offiziellen Promotorinnen bin. Ich habe einen Ausweis, der mir persönlich von der compa?era Vilma Nu?ez (Vorsitzende der nicaraguanischen Menschenrechtskommission CENIDH) bei einem Treffen von Promotor(inn)en aus dem ganzen Land überreicht wurde. Ich war auch mehrere Wochen zu einer Fortbildung im Zentrum für Landwirtschaftsfragen im departamento Matagalpa. Was ich dort gelernt habe, gebe ich jetzt als eine der Verantwortlichen an die Produzent (inn)en in 6 Gemeinden hier bei uns weiter. Wie gesagt, ich bin selbst dafür verantwortlich, aber wir rechnen doch weiter mit der Unterstützung von CEDRU, bei Unterrichtsmaterial usw. Aber ich mache diese Arbeit ehrenamtlich, denn das PRODISA-Projekt selbst ist ja beendet. Und ich werde weiter mit CEDRU arbeiten, was auch zu tun sei......

 

Ach, viele Frauen und einige Männer aus L.R. sehen mich immer noch wie auf dem Präsentierteller an. Früher, weil ich jeden Tag in all diese anderen Dörfer gegangen bin, und nun, wo ich das nicht mehr so oft tue, sagen sie, ich hätte wohl Schluss gemacht mit all den Männern dort. Aber ich lebe hier allein mit meinen 2 Söhnen. Ein Jahr ist es jetzt her, dass ich mich von German getrennt habe. Der lebt nun mit einer neuen Frau in E.S. Ich bin jedenfalls sicher, dass meine Entscheidung richtig war und definitiv ist. Über CEDRU war ich im Juli auch zu einer Veranstaltung mit Produzent(inn)en aus dem ganzen Land, wo sich staatliche Institutionen mit ihren Programmen vorgestellt haben (........)

 

Da gab es auch einen Kurs zur Vermarktung von Produkten wie Tomaten, Ananas, Wassermelonen. Diese Veranstaltung hat in Managua stattgefunden, im eleganten Hotel Holiday Inn! All das sind Resultate der Arbeit vom Verein und CEDRU, die bei allen anderen Institutionen bekannt sind. Klar, sie sind ja nicht nur die größte, sondern eigentlich einzige Organisation dieser Art im municipio San Rafael del Sur (.........)

 

Weißt du, Ursula, die Politik in ganz Nicaragua ist immer noch ein schmutziges Geschäft. Diese Zusammenarbeit von FSLN und PLC dient niemandem. Noel (Bürgermeister San Rafaels) hat gute Sachen gemacht, aber sein Verwaltungschef A.M. (von der PLC) verdirbt wieder all das, was er als Bürgermeister erreicht hat. Jetzt gibt es allerdings einen neuen Verwaltungschef, der ist, glaube ich, gut (........)

 

Ich habe neulich auch die Bezirksamts-Delegation und eure Bürgermeisterin kennen gelernt. Man konnte gleich sehen, dass sie eine sehr kommunikative Frau ist, als wir hier in den Räumen von CEDRU mit Noel und seinen Stadträt(inn)en zusammengesessen haben. Ich hatte zwar keine Einladung vom Gemeinderat, aber Franz hat mich einfach eingeladen und der Delegation vorgestellt. Alle haben mich angeschaut, weil ich eine große Rose in mein Haar gesteckt hatte. Alle zusammen haben wir dann noch einen Spaziergang durch San Rafael gemacht und die Textilwerkstatt für Frauen und die Bücherei und den Markt besichtigt (......)

 

Mein Sohn Josmani studiert nun schon im dritten Jahr an der Universität. Natürlich habe ich finanzielle Probleme, ohne festes Gehalt. Mein kleiner Laden gibt gerade das Notwendigste für das Studium meines Sohnes her. Aber ich werde weitermachen, weiterkämpfen. Ursula, ich denke immer an dich. Ich weiß nicht, wann wir uns wiedersehen werden, aber wenn ich mich mal allein fühle, denke ich an meine Freundin und schon fühle ich mich wieder gut.


Küsse und Umarmungen,

deine Freundin Zoraida

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