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Wird es den Sandinisten gelingen, Daniel Ortega zu ersetzen?

Jedes Mal, wenn ich versuche, diese dritte Wahlniederlage der Sandinisten zu erklären, erscheint vor mir das Bild des Herrn Comandante Daniel Ortega. Auch wenn noch so sehr versucht wird, äußere Faktoren für diese sandinistische Niederlage verantwortlich zu machen - solange der Sandinismus nicht bereit ist, dem internen Problem der eigenen Stagnation zu begegnen, also der Tatsache, dass er zu einer Partei von Opportunisten geworden ist, wird er weiter ausbluten und an Glaubwürdigkeit verlieren. Offenbar waren die schillernden und aufwendigen Werbekampagnen der Wahlkämpfe von 1996 und 2001, die zuckersüßen Botschaften von Frieden und Ruhe, von Wechsel und Versöhnung nicht ausreichend, um der sandinistischen FSLN die Präsidentschaft zu bescheren. Diese Partei, die während des Krieges (gegen die Somoza-Diktatur) in der Lage war, all die gefallenen Persönlichkeiten zu ersetzen, ist heute unfähig, den Mann zu ersetzen, der zum Symbol ihrer Regierungszeit (1979-1990) wurde.

 

Als Kollektiv ist es der FSLN vor der Revolution 1979 gelungen, ihr Image einer sektiererischen und radikalen Guerilla hin zu dem einer breiten politischen Organisation zu verändern. Doch seit 1984 verlor sich die FSLN in einem Prozess der Personalisierung ihrer Führung. Ausgehend von der Verwechslung von Staat und Partei wurde der Präsident zugleich die wichtigste Person in der Partei. Diese Machtanhäufung in Händen einer Person bedeutete das Ende einer der wichtigsten Errungenschaften der FSLN: ihrer kollektiven Führung. Und das Ende der kollektiven Führung bedeutete sogleich weniger Freiraum im Innern der Partei.

 

Nach der Wahlniederlage von 1990 erschien die Konsolidierung der persönlichen Macht Daniel Ortegas als notwendig für den Zusammenhalt der Sandinisten. Doch die Ära der individuellen Macht war der Beginn der Niederlagenserie der FSLN. Die Fiaskos von 1996 und 2001 zeigen, dass der Sandinismus unter Daniel Ortega nicht in der Lage war, sich erneut als Alternative zu präsentieren. Die einzige klare Linie des Sandinismus war die obligatorische Loyalität zu ihrem Generalsekretär. Seit 1990 kreisen die internen Debatten der FSLN lediglich um den Streit zwischen "Danielisten" und denjenigen, die diesen Führungsstil in Frage stellen.

 

Drei aufeinanderfolgende Wahlniederlagen zeigen, dass die FSLN weder intern und auch die Gesellschaft nicht überzeugt. Dieses Jahr definierte sich die Partei dermaßen als Spiegelbild ihres Kandidaten, dass sie, anstatt die sozialen Ideen des Sandinismus zu propagieren, alles daran setzte, das Image ihres Kandidaten "sauber" zu halten und ihn als Propheten einer rosigen Zukunft darzustellen. Keine Rede war mehr von dem Guerillero, der gegen Somoza kämpfte, oder von dem antiimperialistischen Präsidenten. Es war eine defensive Kampagne mit dem Versprechen, dass der Kandidat nicht mehr der ist, der er einst war. Übrig blieb das schöne Bild des Vaters und liebenden Gatten, des versöhnlichen Politikers und religiösen Mannes. Die große Verliererin dieser Symbiose von Mann und Partei war die FSLN, die ihr kämpferisches Image als Parteigängerin der Mehrheit in Nicaragua aufgeben musste, um den persönlichen Vorlieben eines Führers zu folgen, der seit 1990 in der Öffentlichkeit mehr Ablehnung als Zuspruch erfährt.

 

Zweifellos haben auch zwei äußere Faktoren den Sandinisten Stimmen gekostet: Die Einflussnahme der USA und die Verleumdung seitens der Kirche. Doch in gleichem Maße ist es der Schwäche Ortegas geschuldet, dass diesen Anschuldigungen nichts entgegengesetzt wurde. Um ein kämpferisches Bild zu vermeiden, verteidigte sich die FSLN nicht gegen die unbegründete und ungerechte Beschuldigung, den Terrorismus zu unterstützen. Und stoisch ertrug die FSLN-Führung die politischen Reden des Bischofs Obando, obwohl Nicaragua ein weltlicher Staat ist. Sollte diese Tendenz, die Treue zu Daniel Ortega zum Angelpunkt zu machen, anhalten - und einige Äußerungen der Linken in Nicaragua scheinen dies zu wollen -, würde die FSLN ein weiteres Mal die Chance zu einer Erneuerung verpassen und ihre Energien dazu verwenden, Ortega neue Krücken zu basteln, damit er wieder laufen kann.

 

von Gioconda Belli; nicaraguanische Autorin ("Bewohnte Frau", "Tochter des Vulkans" u.a., Sandinistin; Artikel übernommen aus POONAL - Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer Agenturen, Nr. 503 vom 23.11.2001)

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