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Ohne Bildung keine Entwicklung

Keine Nation der Welt kann es sich leisten, seine wichtigste natürliche Ressource ungenutzt zu lassen. Im Konzept der nachhaltigen Entwicklung ist Bildung nicht einfach eine von vielen Komponenten, sondern Ausgangspunkt für alle weiteren Überlegungen: Nachhaltigkeit kann nur auf der Basis einer flächendeckenden Grundbildung aufbauen. Bildung trägt generell zur Erhöhung des Selbstbewusstseins und der Eigenständigkeit bei, verbessert die Chancen auf ein höheres Einkommen. Bildung hat darüber hinaus aber auch unmittelbare Auswirkungen auf weitere Sektoren. Sie trägt eminent zur Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft bei. Empirische Untersuchungen haben z.B. gezeigt, dass bereits eine nur vierjährige Schulbildung die Produktivität landwirtschaftlicher Betriebe signifikant erhöht. Eine höhere Produktivität durch höhere Bildung wiederum hat positive Konsequenzen auf Ernährung und Gesundheit weiterer Bevölkerungskreise. Bildung im ländlichen Raum ist also elementarer Bestandteil integrierter ländlicher Entwicklungsansätze.

 

Während das Bewusstsein der zentralen Rolle von Bildung weltweit gewachsen ist und von niemandem ernsthaft geleugnet wird, zeichnen aktuelle Studien ein düsteres Bild der Realität in den Entwicklungsländern. Selbst dort, wo dank massiver Anstrengungen SchülerInnenzahlen absolut gestiegen und Analphabetenraten gesunken sind, kann der Ausbau des Bildungswesens mit dem Bevölkerungswachstum oft nicht Schritt halten. Besonders auffällig ist zudem die Bildungsdisparität zwischen städtischer Bevölkerung und LandbewohnerInnen wie auch die Tatsache, dass vor allem Mädchen und Frauen überproportional von Bildung ausgeschlossen sind.

 

Seit den Anfängen der Städtepartnerschaft 1986 unterstützt der Verein den Bildungssektor in der Region San Rafael del Sur mit dem Bau und der Reparatur von Schulgebäuden, didaktischem Material, Heften und Bleistiften für die SchülerInnen, Bezahlung und Fortbildung von LehrerInnen. Vieles wurde erreicht, dennoch muss auch nach so vielen Jahren jeder aktuelle Bericht über die Situation im Schulsektor mit "Anhaltende Bildungsmisere" überschrieben werden. Die Schuldenkrise des Landes und in deren Folge die Auflagen der internationalen Finanzinstitutionen wie IWF (Internationaler Währungsfonds) und Weltbank haben katastrophale Auswirkungen auf das Bildungswesen. Im Rahmen der Strukturanpassungen zur Stabilisierung der Staatsfinanzen erfolgen radikale Kürzungen im Sozialbudget, die die kritische Situation an den Schulen in San Rafael del Sur, wie in ganz Nicaragua, von Jahr zu Jahr verschärfen. Aufgrund der wachsenden Armut und der Sparpolitik besuchen heute landesweit schon wieder 800.000 von 2,5 Millionen schulpflichtigen Kindern keine Bildungseinrichtung mehr, von 100 eingeschulten Kindern schließen lediglich 29 die sechsklassige Grundschule ab. Die Analphabetenrate liegt wieder bei 40 %. In Gesprächen mit Eltern und LehrerInnen lassen sich diese Zahlen auch für die Dörfer in San Rafael del Sur bestätigen. Ohne Geld für die Uniform, ein paar Schuhe, die notwendigen Bücher und Hefte ist die Scham oft zu groß, macht die Teilnahme am Unterricht keinen Sinn. Bestenfalls die Söhne werden auf Kosten ihrer Schwestern für ein paar Jahre zur Schule geschickt, solange es die Arbeit auf den Feldern erlaubt. Und so schließt sich der Teufelskreis aus Armut und mangelhafter Bildung, eine neue Generation schlecht ausgebildeter Menschen hemmt für weitere Jahre und Jahrzehnte die Entwicklungschancen des Agrarlandes Nicaragua. Hier auf dem Land, unter den Kindern der ärmsten Familien, finden sich die Verlierer einer kurzsichtigen staatlichen Politik. Dort, wo es aus vielen Gründen am Notwendigsten wäre, der sozialen und ökonomischen Entwicklung entgegenzusteuern, wird von staatlicher Seite am wenigsten investiert. Wider besseres Wissen, so darf man annehmen, wird Bildung hier immer noch als zweitrangig betrachtet, nicht als das verbriefte unverzichtbare Menschenrecht der Allgemeinen Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen.

 

Die Bildung seiner Bevölkerung liegt unzweifelhaft in der Verantwortung des jeweiligen Staates, aus der wir ihn nicht entlassen dürfen. Trotzdem haben wir den Bildungssektor in San Rafael del Sur in der Vergangenheit nach Kräften unterstützt, und wir werden dies auch in Zukunft tun. Nur eine bessere Bildung kann auf Dauer die Lebensbedingungen der Menschen in unserer Partnergemeinde verbessern. Sie ist eine Querschnittsaufgabe und hatte deshalb als eigenständige Komponente auch ihren Platz im gerade abgeschlossenen Integrierten Armutsbekämpfungsprogramm zur Einkommensverbesserung. Die Familien der Begünstigten, die SchülerInnen, die LehrerInnen, die VertreterInnen der Kommune, sie alle waren einbezogen in die verschiedensten Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung. Nicht zuletzt deshalb war dieses Projekt so außerordentlich erfolgreich.

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