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"Nicaraguas beste Wirtschaftsmeldung seit 25 Jahren"...

... so bezeichnete Präsident Enrique Bolaños die im Januar 2004 getroffene Entscheidung von IWF (Internationaler Währungsfond) und IDA (Weltbankgruppe), den Schuldenerlass im Rahmen der HIPC-Initiative (HIPC Highly Indepted Poor Countries) für Nicaragua endgültig zu vollziehen. Um sich für eine Entschuldung zu qualifizieren, muss ein Land folgenden Prozess durchlaufen:

 

Erste Phase: Bevor die Gläubiger die Entschuldung eines Landes beschließen, muss das Land seine Bemühungen um eine „gute“ Wirtschaftspolitik und ernsthafte Armutsbekämpfung für in der Regel drei Jahre nachweisen. Dies geschieht im Rahmen eines mit dem IWF vereinbarten wirtschaftspolitischen Strukturanpassungsprogramms (SAP). Bereits in dieser Phase erhält das betreffende Land Unterstützung durch eine Schuldendienstreduzierung seitens der bilateralen Gläubiger und durch entwicklungspolitische Zusammenarbeit.
Am 15. September 1999 wurde Nicaragua in die HIPC-Initiative aufgenommen. Dieses Ereignis nahm die Regierung unter Arnoldo Alemán zum Anlass, für den Nachmittag des 16. September zu einem Volksfest auf den Platz der Republik einzuladen. In der regierungsamtlichen Stellungnahme zu dem Ereignis war wörtlich die Rede von "dem Höhepunkt im Prozess des Erlasses der Auslandsschulden", der aber noch lange nicht erreicht war, weil nämlich erst nach der Aufnahme in die HIPC-Initiative über diese entschieden wird:

 

Entscheidungszeitpunkt (Decision Point): Wenn die "Schuldentragfähigkeitsanalyse" abgeschlossen ist und die Direktorien von Weltbank und IWF über die Entschuldung entscheiden, heißt das "Entscheidungszeitpunkt". Mit der sogenannten "Schuldentragfähigkeitsanalyse" wird ermittelt, ob eine übermäßige Verschuldung vorliegt. Dabei gelten folgende Kriterien: Eine Schulden-Export-Relation von 150% oder eine Schulden-Staatseinnahmen-Relation von 250%. Liegt ein Land über einer dieser Schwellen, kann es an der Entschuldungsinitiative teilnehmen.


Nicaragua hatte im Dezember 2000 den Entscheidungszeitpunkt erreicht. Weltbank und IWF gewährten daraufhin einen Schuldenerlass von fast 4,5 Milliarden US-Dollar, was etwa 72% der ausstehenden Schulden entspricht. Der Anteil des Schuldendienstes am Staatseinkommen soll so von 20% (1999) auf unter 9% im Jahr 2007 gesenkt werden. Mit dieser Entscheidung war dann aber immer noch nichts entschieden, jetzt galt es für Nicaragua, zunächst einmal die „Zweite Phase“ erfolgreich zu absolvieren.

 

Zweite Phase oder Interimsphase: Wer sich für die Entschuldung qualifiziert hat, muss anschließend eine zweite Periode „guter“ Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsleistung bewältigen. Einige der multilateralen Organisationen (wie zum Beispiel Weltbank, IWF und regionale Entwicklungsbanken) und die im Pariser Club zusammengeschlossenen Gläubigerländer gewähren jedoch schon während dieser Phase deutliche Schulderleichterungen. Die Länder erhalten den vollen Erlass jedoch erst, wenn sie unter Beteiligung der Bevölkerung eine nationale Strategie zur Linderung der Armut (PRSP Poverty Reduction Strategy Paper) erstellt und für mindestens ein Jahr durchgeführt haben.


Im September 2001 befürworteten die Direktorien von IDA und IWF Nicaraguas Wachstumsstrategie (Strengthened Economic Growth) und das PRSP. Die dänische NRO Ibis wirft der nicaraguanischen Regierung vor, zwei parallele Prozesse initiiert zu haben: einen Scheinprozess zur Erstellung des PRSP, der unter breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft stattfand sowie den PRSP-Prozess, der hinter verschlossenen Türen von Regierung und Weltbank/IWF allein bestritten wurde. Zwischen 2001-03 erhielt Nicaragua 195,5 Mio. US-Dollar als HIPC-Interims-Hilfe von multilateralen Geldgebern, davon 22,2 Mio. US-Dollar von der IDA und 3,6 Mio. US-Dollar vom IWF. Die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) und die Zentralamerikanische Bank für Ökonomische Integration (CABEI) stellten 94,9 bzw. 1.7 Mio. US-Dollar zur Verfügung. Bilaterale Geldgeber gewährten Nicaragua in der selben Periode eine Unterstützung von 57,6 Mio. US-Dollar.

 

Abschlusszeitpunkt: Am sogenannten „Completion Point“ wird der zuvor vereinbarte Schuldenerlass dann schließlich vollzogen. Dieses Konzept ist auch unter dem Begriff "gleitender Abschlusszeitpunkt" (Floating Completion Point) bekannt. Dieser Punkt ist dann erreicht, wenn die Direktorien beider Institutionen entscheiden, dass das Land die vereinbarten Bedingungen für Unterstützung durch die Initiative, einschließlich Strukturreformen (SAP), makroökonomischer Stabilität und Erstellung seines Strategiedokuments zur Armutsbekämpfung (PRSP), erfüllt hat.


Nicaragua sollte den Abschlusszeitpunkt Ende 2003 erreichen. Trotz des Besuchs von Präsident Bolaños im Dezember 2003 in Washington D.C., beschlossen die internationalen Finanzinstitutionen die Verschiebung einer endgültigen Entscheidung über Aufnahme bis zum 21. Januar 2004.

 

In einem Dokument vom 6. Januar 2004 geben IMF und IDA bekannt „..., dass Nicaragua alle bis auf eine Bedingung erfüllt hat, um den Completion Point unter der HIPC-Initiative zu erreichen.“ und dass der endgültige Schuldenerlass gewährt wird. Der HIPC-Schuldenerlass seitens aller entsprechenden Gläubiger Nicaraguas wird insgesamt und über längere Zeit etwa 4,5 Milliarden US$ betragen. Die IDA beteiligt sich daran mit 382,6 Mio. US-Dollar, und zwar in Form einer 90%igen Reduzierung des in den Jahren 2001 bis 2023 fällig werdenden Schuldendienstes auf IDA-Kredite. Der IWF wird einen Schuldenerlass von etwa 106,5 Mio. US-Dollar gewähren auf Zahlungen, die in den Jahren 2002 bis 2009 fällig werden. Die übrigen bilateralen und multilateralen Gläubiger werden vermutlich ebenfalls ihren Anteil zu dem von der überarbeiteten HIPC-Initiative geforderten Schuldenerlass beitragen.


Nach dem Bekanntwerden der Nachricht in Nicaragua forderte der führende Soziologe Cirilo Otero die Regierung auf, "der Bevölkerung ehrlich Auskunft zu geben“. Er sagte, dass „die reichen Länder die Gewohnheit haben, sich hin und her zu überlegen, wie hoch die Schuldensumme sein soll, die sie tatsächlich erlassen wollen. Das heißt: Wenn der Präsident davon spricht, dass Nicaraguas Schulden 6,5 Milliarden Dollar betragen, wird die tatsächliche Summe, die erlassen wird, vermutlich nur bei etwa 3,5 Milliarden US-Dollar liegen. Weiterhin muss er den Leuten erklären, dass das kein zusätzliches Geld ist, das neu gewährt wird ...(und), dass wir mit diesem Strukturanpassungsprogramm fortfahren müssen." Otero betonte, dass trotz der Anordnung des Präsidenten, die Nachricht mit Feuerwerk und Raketen vom Präsidentenpalast aus zu feiern, die Angelegenheit bisher weitgehend eine Sache von Regierung, Beamten und Akademikern gewesen ist. "Die Bevölkerung insgesamt war sehr wenig über all das informiert, vor allem darüber, was HIPC mit ihrem Alltag und mit all diesen ständigen Preiserhöhungen zu tun hat."

 

Quellen:

  • IWF, HIPC - Schuldeninitiative für die Hochverschuldeten Armen Länder (HIPCs)
  • Informationsblatt vom 11. September 2000, www.imf.org
  • IMF and IDA, Nicaragua, Enhanced Heavily Indebted Poor Countries (HIPC) Initiative, Completion Point Document, January 6, 2004, www.imf.org
  • BMZ, Die Entschuldungsinitiative – Stand 2003, www.bmz.de
  • PRSP-Watch, Länderprofile, Nicaragua, www.prsp-watch.de
  • Nicaragua-Forum Heidelberg, Aktuelle Informationen, www.nicaragua-forum.de
  • Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V., Infoblatt Nr. 46, oeku-buero.de
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