Link zur Seite versenden   Druckansicht öffnen
 

Nicaraguas Bevölkerung – Verlierer der Globalisierung

1998 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Nicaragua mit 390 US-$ je Einwohner weniger als die Hälfte dessen, was noch 1987 trotz der damaligen Kriegssituation je Einwohner an Gütern und Dienstleistungen wertmäßig erzeugt worden war (1987= 870 US-$ je Einwohner). Nicaragua gehört damit zu den ärmsten Staaten der Erde und fiel auf Platz 170 (von 210 Staaten) zurück. Auch nach dem Index der menschlichen Entwicklung, der verschiedene soziale Indikatoren zusammenfasst, steht Nicaragua innerhalb Lateinamerikas an vorletzter Stelle; nur noch Haiti weist schlechtere Lebensbedingungen auf.

Diese Situation zeigt sich in sozialer Hinsicht auf verschiedenen Ebenen: Mit einer Säuglingssterblichkeit von 48 Kindern je Tausend Geburten (1995) weisen Nicaragua und Haiti die schlechtesten Werte auf. Die Analphabetenrate beträgt bei den Erwachsenen schon wieder 33,8%, was kein Wunder ist, da Nicaragua die ungünstigsten Werte bei der Anzahl von Schülern je Lehrer aufweist (35 Schüler pro Lehrer in der Grundschule) und weniger als 50% der 13- bis 17-jährigen überhaupt noch eine Schulbildung erhalten. 46% der Schüler und Schülerinnen erreichen nicht einmal die fünfte Klasse, wobei im ländlichen Bereich dieser Wert auf fast 70% steigt. Unsere weitere Unterstützung des ländlichen Schulwesens ist daher dringend erforderlich.

Aber auch bei der medizinischen Versorgung mit statistisch 1.322 Personen je Arzt steht Nicaragua an vorletzter Stelle in Lateinamerika. Die nicaraguanische Bevölkerung hat dadurch die geringste Lebenserwartung nach Haiti und Bolivien. Nur 37 Dollar pro Einwohner wurden 1997 für das Gesundheitswesen aufgewendet (zum Vergleich: in der BRD 2.677 Dollar). Über 12% der Bevölkerung werden nicht einmal das vierzigste Lebensjahr erreichen. Hier wird Nicaragua nur noch von Haiti und schwarzafrikanischen Staaten „übertroffen“. Diese geringe Lebenserwartung ist auch ein Resultat der immer noch unzureichenden Versorgung mit sauberem Trinkwasser, da im ländlichen Bereich nur 28% (national 62%) Zugang zu Trinkwasser haben. Nicht umsonst war dieser Bereich einer der Schwerpunkte bei den Projekten des Vereins in der Partnerstadt San Rafael del Sur.

Im Vergleich zu den Ländern des Nordens stehen den BewohnerInnen Nicaraguas nur 73% des dort täglich üblichen Kalorienangebotes zur Verfügung. Diese mangelhafte Versorgung verschlechtert sich weiter, da 1997 und 98 die Nahrungsmittelerzeugung in Nicaragua mit unter 1,1% bzw. 1,8% geringer wuchs als die Bevölkerungszahl (2,7%). Gerade die Bevölkerungsteile, die in extremer Armut leben, können sich damit immer weniger ausreichend ernähren (vgl. auch weitere Berichte in dieser Ausgabe). Fast die Hälfte der Bevölkerung hat weniger als einen Dollar pro Tag zur Verfügung, fast _ der Bevölkerung müssen von weniger als zwei Dollar pro Tag leben. Diese Situation wird sich weiter aufgrund der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch weiter verschlechtern. Gerade die wachsende Zahl der Bevölkerung, die ins erwerbsfähige Alter kommt – hier liegt die Zunahme bei 3,6% jährlich – erfordert die Schaffung von 175.000 neuen Arbeitsplätzen pro Jahr, was noch nicht einmal in der Bundesrepublik gelingt. Gerade für die 2,1 Millionen NicaraguanerInnen unter 15 Jahren (42,7% der Bevölkerung) müssen neue Erwerbsmöglichkeiten in der Zukunft geschaffen werden. Auch hier setzt der Verein im regionalen Maßstab mit seinem Programm zur Einkommensverbesserung in der Partnerstadt San Rafael del Sur an.

Angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird nur auf lokaler Ebene eine Reduzierung der Problematik möglich sein. International gesehen weist Nicaragua mit einem Anteil der Rohstoffexporte am Gesamtexport von 92,3% (1998), davon fast 70%Agrargüter, eine extrem ungünstige Handelssituation auf. Aufgrund der unterschiedlichen Preisentwicklung für Rohstoffe und Fertigwaren auf dem Weltmarkt, muss Nicaragua ständig größere Mengen exportieren, um die gleichen Einfuhrmengen an Fertigwaren zu realisieren. Allein der Kaffeepreis betrug 1997 nur noch knapp 50% des Wertes von 1977. Durch die Tatsache, dass in Nicaragua der Ertrag pro Hektar im Vergleich zu anderen mittelamerikanischen Staaten aufgrund der geringen Investitionen auch noch extrem gering ist (Nicaragua 1997: 667 kg; Costa Rica 1997: 1.533 kg je Hektar), erklären sich zum Teil die ungünstigen Einkommensverhältnisse in Nicaragua.

Insgesamt konnte Nicaragua seine Ausfuhren in den letzten Jahren nur unwesentlich steigern und diese sanken 1998 als Resultat des Hurrikans „Mitch“ wieder auf 605 Millionen US-Dollar. Da gleichzeitig Waren im Werte von 1,383 Mrd. Dollar importiert wurden, erreichte die Handelsbilanz mit einem Minus von 810 Millionen Dollar einen neuen Tiefstand. Diese chronisch negative Handelsbilanz ist eine wesentliche Ursache für die enorme Höhe der Auslandsschulden von 6,287 Mrd. Dollar, die trotz der Schuldenstreichungen Mitte der neunziger Jahre zu verzeichnen sind. Damit hatten die Auslandsschulden einen Wert von 1.200% der jährlichen Exporte. Der Schuldendienst umfasste fast 40% der jährlichen Exporteinnahmen. Nicaragua ist damit extrem von ausländischer Hilfe/ausländischen Krediten abhängig. Diese sind mittlerweile höher als die im Land getätigten Investitionen. Zur Verschärfung der Misere trägt die regierungspolitik insofern bei, als dass sie die Oberschicht bevorzugt bedient und einseitig auf die Entwicklung des Handels setzt. So kann derjenige, der Geld besitzt, mittlerweile wieder alles in Managua kaufen, auch Luxuswaren. Die obersten 20% der Bevölkerung erhalten wieder fast 54% des Volkseinkommens (zum Vergleich BRD: 37%), während _ der Bevölkerung von weniger als 2 Dollar am Tag lebt.

Zusammenfassend muss man feststellen, dass Nicaragua heutzutage das zweitärmste Land Lateinamerikas ist (nach Haiti) mit einer wachsenden Ungerechtigkeit in der Einkommensverteilung und Einkommensverwendung. Die Unterstützung der benachteiligten Teile der Bevölkerung bei ihrem Wunsch nach einem menschenwürdigen Lebens und Sicherung ihrer Grundbedürfnisse ist und bleibt Ziel unserer Städtepartnerschaft mit San Rafael del Sur. Diese Arbeit des Vereins wird verbunden mit der Unterstützung des Aufbaus demokratischer Basisstrukturen, um auch politische Gegenwehr zu ermöglichen.
 

Bereich BRD Nicaragua
Säuglingssterblichkeit je. 1.000 Geburten 5 43
Kindersterblichkeit bis 5. Lebensjahr je 1000 6 57
Anteil der Bevölkerung ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser insgesamt 0% 38%
Anteil der Landbevölkerung ohne Zugang zu sauberemTrinkwasser 0% 72%
Bevölkerungswachstum 0,30% 3,60%
Beschäftigtenanteil Agrarsektor 4% 28%
Anteil der über 65jährigen an der Bevölkerung 15,50% 3%
Anteil der Bevölkerung mit einem Einkommen unter 2$ proTag 0 43,80%
Anteil der Bevölkerung mit einem Einkommen unter 1$ proTag 0 74,50%
Anteil der ärmsten 20% der Bevölkerung am Volkseinkommen 9% 4,20%
Anteil der reichsten 20% der Bevölkerung am Volkseinkommen 37,10% 53,30%
Besuch weiterführender Schulen (ab Klasse 5) in Prozent der Altersgruppe 100% 44%
Gesundheitsausgaben pro Kopf 2.677 $ 37$
Wertschöpfung je Agrarbeschäftigten/Bauern 19.930 $ 1.407 $
Anteil der Landwirtschaft am BSP 1% 34%
durchschnittliche jährliche Inflationsrate 1990-97 3% 62,90%

Logos folgen [...]

Linkfarbe

Kontakt

Postanschrift:
Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft
Kreuzberg – San Rafael del Sur e.V.
Postfach 44 06 49
12006 Berlin

Telefon: +49 30 61 20 91 65

Fax: +49 30 61 20 91 67
E-Mail:


weitere E-Mails:

Deutschland:

Nicaragua:

Nationale NRO Nicaragua: